Der Fall McNeal
Deutsche Erstaufführung am 14. September 2025Schauspielhaus, Kleines HausSchauspiel
Über das Stück
Mensch und Kunst und Maschine — Die Expert:in für Digitales Theater Tina Lorenz und Regisseur Phillip Rosendahl im Gespräch — Die Fragen stellte Dramaturg Stijn Reinhold
Im Herbst 2022 ging ChatGPT online. Künstliche Intelligenz hat seitdem die Welt verändert. »Der Fall McNeal« erzählt die Geschichte eines Schriftstellers, der seinen Erfolg einem Chatbot verdankt. Das Stück feierte bereits große Erfolge am New Yorker Broadway und an der Wiener Burg. In Düsseldorf inszeniert Philipp Rosendahl nun die Deutsche Erstaufführung. Im gemeinsamen Interview mit Tina Lorenz vom Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe spricht er über ein neues Zusammenspiel von Mensch und Maschine.
Der US-amerikanische Dramatiker Ayad Akhtar hat ein Stück geschrieben, das unser Verständnis von Kunst hinterfragt. Worum geht es?
Philipp Rosendahl — Im Grunde dreht es sich um die Frage, wie sich unser Verhältnis zur Wahrheit im Zeitalter der KI verändert. Am Beispiel eines überaus erfolgreichen, sich aber im Verfall befindlichen Schriftstellers, Jacob McNeal, erleben wir das Ende einer Künstlerbiografie, die sich an gesellschaftlichen Trends und technischen Entwicklungen messen muss. Wie entsteht Kunst, welche Mittel sind erlaubt und inwiefern entscheiden die Rezipient:innen über die Relevanz des zu Papier Gebrachten? Diese existenziellen Fragen treiben den Protagonisten um. Währenddessen scheinen sich die Zeit, die eigene Biografie und der Stand der technischen Entwicklung gegen den in die Jahre gekommenen Künstlertypus zu richten.
McNeals Dilemma ist sein schlechtes Gewissen: Als Künstler muss er ablehnen, was ihn erfolgreich macht. Wie verändert KI unseren Begriff von Kreativität?
Tina Lorenz — Ohne schon zu viel zu verraten, plagt Jacob McNeal ein sehr menschlicher innerer Konflikt. Er hat Schuldgefühle! Generative KI hat weder Gefühle, noch kann sie grundlegenderweise wissen, was das ist: Ihr fehlt das Weltmodell. Sie bewegt sich ausschließlich auf der Ebene der Zeichen, nicht der realen Dinge. Und auf der Zeichenebene lässt sich hervorragend und sehr detailgetreu das Bild eines Pferdes malen; dass das dann aber fünf Beine hat, ist für KI kein Widerspruch. Was wir an Texten, Bildern oder Videos bewegend, spannend, lustig oder traurig finden, bleibt also immer uns, den Menschen, überlassen.
Der US-amerikanische Dramatiker Ayad Akhtar hat ein Stück geschrieben, das unser Verständnis von Kunst hinterfragt. Worum geht es?
Philipp Rosendahl — Im Grunde dreht es sich um die Frage, wie sich unser Verhältnis zur Wahrheit im Zeitalter der KI verändert. Am Beispiel eines überaus erfolgreichen, sich aber im Verfall befindlichen Schriftstellers, Jacob McNeal, erleben wir das Ende einer Künstlerbiografie, die sich an gesellschaftlichen Trends und technischen Entwicklungen messen muss. Wie entsteht Kunst, welche Mittel sind erlaubt und inwiefern entscheiden die Rezipient:innen über die Relevanz des zu Papier Gebrachten? Diese existenziellen Fragen treiben den Protagonisten um. Währenddessen scheinen sich die Zeit, die eigene Biografie und der Stand der technischen Entwicklung gegen den in die Jahre gekommenen Künstlertypus zu richten.
McNeals Dilemma ist sein schlechtes Gewissen: Als Künstler muss er ablehnen, was ihn erfolgreich macht. Wie verändert KI unseren Begriff von Kreativität?
Tina Lorenz — Ohne schon zu viel zu verraten, plagt Jacob McNeal ein sehr menschlicher innerer Konflikt. Er hat Schuldgefühle! Generative KI hat weder Gefühle, noch kann sie grundlegenderweise wissen, was das ist: Ihr fehlt das Weltmodell. Sie bewegt sich ausschließlich auf der Ebene der Zeichen, nicht der realen Dinge. Und auf der Zeichenebene lässt sich hervorragend und sehr detailgetreu das Bild eines Pferdes malen; dass das dann aber fünf Beine hat, ist für KI kein Widerspruch. Was wir an Texten, Bildern oder Videos bewegend, spannend, lustig oder traurig finden, bleibt also immer uns, den Menschen, überlassen.
Die Arbeit mit KI, so scheint es, gleicht einem Teufelspakt: Der alternde McNeal gewinnt den Literaturnobelpreis – und verliert zusehends jede Menschlichkeit. Täter oder Opfer?
Philipp Rosendahl — McNeal tut, was jede:r ernstzunehmende Künstler:in auf eine Weise tun muss: Er involviert Entwicklungen seiner Zeit in seine Arbeit. Allerdings bewegt er sich dabei in einigen rechtlichen Grauzonen, auf die wir als Gesellschaft noch keine abschließenden Antworten gefunden haben: Er nutzt die KI, um Ideen und Tagebuchaufzeichnungen seiner verstorbenen Frau in seinem Stil umzuformulieren, und bringt diese dann ohne jeden Hinweis als originellen Roman heraus. Da McNeal als Schriftsteller die Verantwortung für sein Werk trägt, müsste er auch als Täter in Betracht gezogen werden. Allerdings ist das Stück in einer nahen Zukunft angesiedelt, in der etliche Bestseller bereits gänzlich von KI generiert sind. Wenn sich die KI aus menschlichen Dokumenten speist und diese in neuer Form wieder abbildet, ergibt sich die Frage, weshalb derselbe Vorgang in persönlicher und menschlicher Verantwortung verwerflich sein sollte. Letztlich stehen wir der großen ethischen Frage des geistigen Eigentums gegenüber.
Das Phänomen KI hat eine neue Technikbegeisterung ausgelöst, in die sich nur manchmal leise Zweifel mischen. Theater in zehn Jahren: Welche Perspektiven gibt es?
Tina Lorenz — Gerade ist die Verlockung am Theater groß, KI wie ein neues Werkzeug einzusetzen: Licht, Ton, KI-Cue bitte jetzt Ich persönlich denke, um die Fähigkeiten von KI – also live Text, Bilder, Videos zu erzeugen, die dialogisch auf menschliche Akteur:innen oder Bühnenereignisse reagieren – wirklich auszureizen, muss sich das Theater in seinem Kern bewegen. KI-überschriebene Klassiker sind möglicherweise nicht der Weisheit letzter Schluss.
Ayad Akhtar macht die Maschine zur Ko-Autorin: Was McNeal tippt, passiert. Die KI wird zur körperlosen Mitspielerin. Wie sieht das auf der Bühne aus?
Philipp Rosendahl — Eigentlich ist die KI die heimliche Hauptfigur des Stücks, sie ist omnipräsent und entscheidet darüber, wie uns die Geschichte um Jacob McNeal erzählt wird. Es gibt bereits KI-Tools, die sich mit der Produktion von Musik oder dem Generieren von Gemälden beschäftigen, aber wie sähe es aus, wenn die KI Regie führen würde? Ohne ein solches Tool zur Verfügung zu haben, möchten wir lernen, wie die KI in anderen Feldern operiert, welche Fehler sie macht, wie sie vorhandene Stereotype reproduziert und warum sie halluziniert. Theater ist ein genuin analoges Medium. Es zeichnet sich durch das unmittelbar Menschliche aus. Der Spannungsraum besteht darin, in dieser radikalen Analogität eine Spielform zu finden, die sich der Logik der digitalen Muster bedient und diese performativ weiterführt.
Philipp Rosendahl, geboren 1990 in Düsseldorf, ging nach dem Abitur für ein Schauspielstudium nach New York. 2022 wurde er Ko-Schauspieldirektor am Staatstheater Cottbus. Als Regisseur für Oper und Schauspiel gastiert er regelmäßig in Mannheim, Stuttgart, Kassel und Göteborg. Am D’haus inszenierte er »Prima Facie« und brachte in der Spielzeit 2024/2025 »Liv Strömquists Astrologie« zur Uraufführung.
Tina Lorenz wuchs im Chaos Computer Club auf, studierte dann Theaterwissenschaft und amerikanische Literaturgeschichte in Wien und München. Sie dozierte Theatergeschichte an der Akademie für Darstellende Kunst Bayern und leitete die Abteilung Digitales Theater am Staatstheater Augsburg. Seit 2024 hat sie die Leitung des ZKM | Hertzlab inne – der Abteilung für künstlerische Forschung und Entwicklung am Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe.
Besetzung
Regie Philipp Rosendahl
Bühne und Licht-Design Mara-Madeleine Pieler
Kostüm Johann Brigitte Schima
Komposition und Sound-Design Tom Gatza
Dramaturgie Stijn Reinhold