The Drop
ab 14 JahrenUraufführung am 5. Dezember 2025CentralJunges Schauspiel
Über das Stück
The Drop / Was hat uns bloß so ruiniert? — Notizen zu Corona und den Folgen — von Lutz Hübner und Sarah Nemitz
1
There is a crack in everything / That’s where the light gets in (Leonard Cohen)
Ein Riss (engl. »crack«), durch den das Licht dringt, ist ein schönes und tröstliches Bild – aus Katastrophen lernen. Aber was, wenn es ein paar Risse zu viel sind? Und wie viele braucht es, bis sie eine Biografie in Stücke reißen? Klaffende Risse, durch die man in eine irreale, dystopische Welt blicken kann, gibt es gerade genug (Klimakrise, Nazis, Krieg, Rezession und alle Irren »in charge« …), und vor nicht allzu langer Zeit gab es einen massiven Riss, der weltweit das Leben aller Menschen in ein Davor und ein Danach unterteilte: Corona. Was dieses Loch im Leben mit einem gemacht hat, hängt davon ab, wie alt man zu Beginn der »lost years« war.
Die 14-Jährigen, die 2022 aus der Krise kamen, hatten praktisch alles verpasst, was man von zwölf bis 14 (auch 13/15, 14/16) unbedingt erleben sollte. Nach Ende der Pandemie wurden sie aufgefordert, schleunigst den ganzen Schulstoff nachzuholen, und galten gleichzeitig als Smombies, weil sie zwei Jahre lang verzweifelt versucht hatten, ihr Sozialleben aufrechtzuerhalten. Zugleich wurden sie ermuntert, sich das alles nicht weiter zu Herzen zu nehmen, und falls sie wegen Lockdowns und aller folgenden Cracks (»where definitely no light came in«) dann doch psychisch krachen gingen, wurden sie gebeten, die Zähne zusammenzubeißen.
Resilienz hat auch ein bisschen mit einem stabilen, wertschätzenden Umfeld zu tun, und wer überrascht ist, dass alle Jugendstudien belegen, dass die mentalen Folgen von Corona noch lange nicht behoben sind, wollte bisher nicht genauer hinschauen, denn der Elefant im Raum war deutlich zu sehen: Politik und Gesellschaft sind mit Kindern und Jugendlichen in der Coronazeit nicht gut umgegangen. Es wurde nicht anerkannt, dass Corona für sie ein Super-GAU war, schlimmer als für alle anderen Alterskohorten, und es ist an der Zeit, ihnen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie diese Erfahrung annehmen und hinter sich lassen können.
There is a crack in everything / That’s where the light gets in (Leonard Cohen)
Ein Riss (engl. »crack«), durch den das Licht dringt, ist ein schönes und tröstliches Bild – aus Katastrophen lernen. Aber was, wenn es ein paar Risse zu viel sind? Und wie viele braucht es, bis sie eine Biografie in Stücke reißen? Klaffende Risse, durch die man in eine irreale, dystopische Welt blicken kann, gibt es gerade genug (Klimakrise, Nazis, Krieg, Rezession und alle Irren »in charge« …), und vor nicht allzu langer Zeit gab es einen massiven Riss, der weltweit das Leben aller Menschen in ein Davor und ein Danach unterteilte: Corona. Was dieses Loch im Leben mit einem gemacht hat, hängt davon ab, wie alt man zu Beginn der »lost years« war.
Die 14-Jährigen, die 2022 aus der Krise kamen, hatten praktisch alles verpasst, was man von zwölf bis 14 (auch 13/15, 14/16) unbedingt erleben sollte. Nach Ende der Pandemie wurden sie aufgefordert, schleunigst den ganzen Schulstoff nachzuholen, und galten gleichzeitig als Smombies, weil sie zwei Jahre lang verzweifelt versucht hatten, ihr Sozialleben aufrechtzuerhalten. Zugleich wurden sie ermuntert, sich das alles nicht weiter zu Herzen zu nehmen, und falls sie wegen Lockdowns und aller folgenden Cracks (»where definitely no light came in«) dann doch psychisch krachen gingen, wurden sie gebeten, die Zähne zusammenzubeißen.
Resilienz hat auch ein bisschen mit einem stabilen, wertschätzenden Umfeld zu tun, und wer überrascht ist, dass alle Jugendstudien belegen, dass die mentalen Folgen von Corona noch lange nicht behoben sind, wollte bisher nicht genauer hinschauen, denn der Elefant im Raum war deutlich zu sehen: Politik und Gesellschaft sind mit Kindern und Jugendlichen in der Coronazeit nicht gut umgegangen. Es wurde nicht anerkannt, dass Corona für sie ein Super-GAU war, schlimmer als für alle anderen Alterskohorten, und es ist an der Zeit, ihnen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie diese Erfahrung annehmen und hinter sich lassen können.
2
Benny ist im Booster Club ausgerastet, hat alles kurz und klein geschlagen und liegt nach einem Stromschlag im Koma. Seine Freund:innen besuchen ihn im Krankenhaus und versuchen, herauszufinden, warum er das getan hat, ob sie vielleicht mitschuldig daran sind und ob sie es hätten verhindern können. Sie müssen sich eingestehen, dass sie einander kein Halt mehr sind, alle haben mit eigenem Kummer und Problemen zu kämpfen. Bleibt das jetzt so? Es hat sie mal etwas verbunden, das schön war, tröstlich und stark, und wenn das jetzt verschwindet, will man wenigstens wissen, warum. Was hat sie die letzten Jahre so verändert, wer hat welche Leichen im Keller, welche Leben hätten sie leben können ohne die ganzen Hiobsbotschaften der letzten Jahre? Wieso hat niemand bemerkt, wie es Benny geht, und was ist, wenn er nicht mehr aufwacht? So oder so, sie müssen sich selbst helfen.
3
Die Generation der Boomer hat bis 2020 die wahrscheinlich längste Zeit in der deutschen Geschichte kontinuierlich in Frieden und Wohlstand gelebt, mit der scheinbaren Gewissheit, dass alles (wirtschaftlich, sexuell und politisch) nur besser werden kann. Krieg war ein außereuropäisches Phänomen, Liberalisierung ein unaufhaltsamer Prozess, Nazis ein ärgerliches, aber unbedeutendes Randphänomen Seuchen waren etwas Gruseliges aus dem Mittelalter. Auch wenn sich die meisten jahrzehntelang gültigen Gewissheiten inzwischen erledigt haben, ihr Weltvertrauen erweist sich als vergleichsweise stabil.
Nun gibt es eine Generation, die zwei Jahre unter Hausarrest stand, für die Krieg etwas ist, das eine Tagesreise entfernt passiert, und die über die Idee, dass quasi alles von selbst besser wird, nur müde lächeln kann: Träum weiter. Das tun die Boomer selbstverständlich nicht, blöd sind sie nicht. Aber sie sollten vielleicht endlich mit dem Gemotze aufhören, dass die Jugendlichen alle nur Schneeflöckchen seien, Faulpelze, TikTok-Junkies, die nie ein Buch lesen – und wenn sie mal etwas unternehmen (Letzte Generation o. Ä.), wird sofort von »Öko-RAF« geschwafelt. Aber sie müssen auf diesem Planeten einfach noch ein bisschen länger klarkommen. Sie können sich ausrechnen, wann ihnen das Geld und dem Klima die Puste ausgeht. Oder ob irgendwann der Hyperfaschismus siegt.
Man hätte nach Corona sagen können: »So, jetzt fahrt ihr alle mal auf Staatskosten zwei Wochen ans Meer und lasst es ordentlich krachen – kleine Erholungspause, habt ihr jetzt nötig, es war eine harte Zeit. Und dann gibt es zwei Jahre Zusatzbetreuung und Nachhilfe, bis alle wieder an Bord sind.«
»Nobody is left behind.« So stand es zu Beginn der Coronakrise überall zu lesen. Wäre das ernst genommen worden, ginge es höchstwahrscheinlich vielen heute besser. Aber sie wurden im Stich gelassen, auf eine Achterbahn geschickt und knallten auf den Boden. Im Englischen drückt man diesen Moment des freien Falls mit dem Wort »drop« aus. Aber der Drop ist eben auch der Moment, wenn die Musik auf der Tanzfläche so richtig in die Beine fährt und ein Energieschub mit ungeahnter Kraft den Körper durchflutet.
Besetzung
Regie Liesbeth Coltof
Musik Matts Johan Leenders
Bühne Guus van Geffen
Kostüm Carly Everaert
Choreografie Yeliz Pazar
Dramaturgie Kirstin Hess
Kooperation
In Kooperation mit der Deutschen Oper am Rhein — Gefördert durch die Deutsche Postcode Lotterie.