Was ihr wollt
Deutsch von Thomas BraschPremiere am 27. September 2025Schauspielhaus, Großes HausSchauspiel
Über das Stück
Eine irisierende Seifenblase — Regisseurin Bernadette Sonnenbichler über Schwebezustände zwischen Illusion und Wirklichkeit, Albernheit und Tiefsinn, Melancholie und Leichtigkeit — Das Gespräch führte Dramaturg David Benjamin Brückel
Eine Komödie voller Vexierspiele, ein Spiegelkabinett voller Erotik, eine groteske Fantasie über die Auflösung von Gewissheiten in der Welt. Ausgangspunkt des Stücks ist ein Schiffbruch, der die junge Viola an die Küste des Märchenlandes Illyrien spült. Dort erfindet sich die Überlebende neu und tritt als Cesario verkleidet in die Dienste des Herzogs Orsino, der die Gräfin Olivia liebt. Doch Olivia will von Orsinos Liebe nichts wissen. Stattdessen erliegt sie den Reizen Violas, in der sie einen Mann, Cesario, sieht. Viola wiederum ist in Orsino verliebt, der Cesario/Viola ebenfalls nicht unattraktiv findet. Im Wechselbad der Gefühle verschwimmen die Geschlechterrollen, und bald ist nichts mehr so, wie es scheint …
Sie sind seit 2016 Hausregisseurin und seit einigen Jahren Oberspielleiterin am Düsseldorfer Schauspielhaus. Im Sommer 2026 werden Sie Intendantin am Theater und Orchester Heidelberg. Was verbinden Sie persönlich und künstlerisch mit dem D’haus?
Bernadette Sonnenbichler — Diese zehn Jahre waren für mich eine Zeit des Wachstums und des Lernens. Ich bin dem D’haus unglaublich dankbar für den festen Anlaufpunkt, den man mir zunächst als Hausregisseurin geboten hat. Davor bin ich, wie die meisten Regisseur:innen, viele Jahre lang freiberuflich von Theater zu Theater gereist und habe es dann sehr genossen, ein Ensemble intensiver kennenzulernen und mich als Teil eines Hauses fühlen zu dürfen. Als Oberspielleiterin habe ich dann extrem viel Wertvolles über die Strukturen eines Hauses gelernt und wie man ein Theater führt.
Zum Auftakt der neuen Spielzeit inszenieren Sie »Was ihr wollt« von William Shakespeare. Nach »Der Geizige« von Molière in der vergangenen Saison ist dies Ihre zweite Komödie in Folge im Großen Haus. Was reizt Sie an komödiantischen Stoffen?
Eigentlich bin ich gar nicht so ein Fan davon. Für die richtigen Kracher des Genres gibt es talentiertere Regisseur:innen als mich. Ich habe eher ein Faible für Stoffe, die etwas Traumartiges und eine gewisse Offenheit in sich tragen. »Der Geizige« z. B. hat eine große Bissigkeit und gleichzeitig etwas Märchenhaftes durch die typisierten Figuren, die ursprünglich aus der Commedia dell’Arte kommen. »Was ihr wollt« ist wie eine irisierende Seifenblase. Die verspielten Elemente des Stücks verbinden sich zu einem traumartigen Gebilde. Das gefällt mir sehr. Das Leichte und Helle ist etwas, wonach ich mich künstlerisch immer mehr sehne – vielleicht weil die reale Welt oft schon so dystopisch wirkt.
Sie sind seit 2016 Hausregisseurin und seit einigen Jahren Oberspielleiterin am Düsseldorfer Schauspielhaus. Im Sommer 2026 werden Sie Intendantin am Theater und Orchester Heidelberg. Was verbinden Sie persönlich und künstlerisch mit dem D’haus?
Bernadette Sonnenbichler — Diese zehn Jahre waren für mich eine Zeit des Wachstums und des Lernens. Ich bin dem D’haus unglaublich dankbar für den festen Anlaufpunkt, den man mir zunächst als Hausregisseurin geboten hat. Davor bin ich, wie die meisten Regisseur:innen, viele Jahre lang freiberuflich von Theater zu Theater gereist und habe es dann sehr genossen, ein Ensemble intensiver kennenzulernen und mich als Teil eines Hauses fühlen zu dürfen. Als Oberspielleiterin habe ich dann extrem viel Wertvolles über die Strukturen eines Hauses gelernt und wie man ein Theater führt.
Zum Auftakt der neuen Spielzeit inszenieren Sie »Was ihr wollt« von William Shakespeare. Nach »Der Geizige« von Molière in der vergangenen Saison ist dies Ihre zweite Komödie in Folge im Großen Haus. Was reizt Sie an komödiantischen Stoffen?
Eigentlich bin ich gar nicht so ein Fan davon. Für die richtigen Kracher des Genres gibt es talentiertere Regisseur:innen als mich. Ich habe eher ein Faible für Stoffe, die etwas Traumartiges und eine gewisse Offenheit in sich tragen. »Der Geizige« z. B. hat eine große Bissigkeit und gleichzeitig etwas Märchenhaftes durch die typisierten Figuren, die ursprünglich aus der Commedia dell’Arte kommen. »Was ihr wollt« ist wie eine irisierende Seifenblase. Die verspielten Elemente des Stücks verbinden sich zu einem traumartigen Gebilde. Das gefällt mir sehr. Das Leichte und Helle ist etwas, wonach ich mich künstlerisch immer mehr sehne – vielleicht weil die reale Welt oft schon so dystopisch wirkt.
Worin liegen für Sie Unterschiede, je nachdem ob Sie Komödien oder ernste, tragische Stoffe inszenieren?
Es gibt bestimmte handwerkliche Überlegungen, die beispielsweise in die Gestaltung der Bühne, der Musik, des Lichts oder der Choreografie einfließen. Komödien haben oft eine etwas andere Struktur als Tragödien, das heißt, die Szenenfolge wechselt rascher, Auftritte und Abgänge sind schneller. Komödien verlangen meist auch mehr Präzision bei der Arbeit mit den Schauspieler:innen – es geht oft um Leichtigkeit und Spielfreude, aber die müssen sorgfältig und manchmal auch hart erarbeitet werden. Was mich bei allen Inszenierungen antreibt, ist der Wunsch, glaubwürdige, berührende Momente auf die Bühne zu bringen und eine Haltung zur Gegenwart zu teilen. Das Theater ist für mich ein Raum der Begegnung, und egal ob ich eine Komödie oder eine Tragödie inszeniere, es geht immer darum, die Menschen mitzunehmen und etwas in ihnen zum Klingen zu bringen.
Im Zentrum von »Was ihr wollt« steht die Dreiecksbeziehung zwischen Orsino, Olivia und Viola, die durch ein subtiles Spiel von Täuschung, Selbsttäuschung und Verkennung der Wirklichkeit miteinander verbunden sind. Es geht um Hoffnungen, Imaginationen und Projektionen, die jede Liebe begleiten. Und ganz nebenbei wird durch Violas Maskerade auch die binäre Geschlechterordnung spielerisch infrage gestellt. Mit welchen Fragen oder Themen beschäftigen Sie sich bei der Vorbereitung, und in welcher Welt siedeln Sie die Geschichte an?
Was mich an »Was ihr wollt« fasziniert, ist das Schweben zwischen Illusion und Wirklichkeit. Die Figuren sehnen sich nach Bildern und Idealen, die nie ganz greifbar oder erreichbar sind – und genau das macht das Stück für mich auch zu einer Reflexion über Vergänglichkeit. In der Übersetzung von Thomas Brasch schwingt diese Melancholie besonders stark mit: die Ahnung, dass nichts bleibt, dass jeder Moment schon im Verschwinden begriffen ist. Das Meer, das Illyrien im Stück umgibt, ist für mich ein zentrales Bild. Es steht für das Flüchtige, für das Getriebensein der Figuren, für ihre Suche nach Halt in einer Welt, die sich ständig wandelt. Viola wird durch einen Schiffbruch in diese Welt gespült, und eigentlich treibt sie die ganze Zeit weiter – durch ihre Maskerade, durch die Verwechslungen, durch die Unsicherheiten der Liebe und der eigenen Identität. Das Wasser verbindet die Figuren, aber es trennt sie auch. Es steht für die Möglichkeit eines Neubeginns und zugleich für das Wissen, dass nichts wirklich festzuhalten ist. Das hat viel mit uns heute zu tun. Wir leben in einer Zeit, in der alles in Bewegung ist, Identitäten sich verschieben, Sicherheiten brüchig werden. Gleichzeitig sehnen wir uns nach etwas Beständigem, nach etwas, das bleibt. »Was ihr wollt« erzählt von der Schönheit des Wandels, aber auch von der Angst davor. Und davon, dass wir manchmal loslassen müssen, um anzukommen.
Das Stück besticht durch seine besondere Mischung aus Komik und Poesie, Melancholie und Heiterkeit. Neben Olivia, Viola und Orsino mit ihren romantischen Liebesverwicklungen gibt es zahlreiche komische Figuren wie den ständig betrunkenen Sir Toby Rülps, den um Olivia werbenden Tölpel Sir Andrew Leichenwang, den weisen Narren Feste oder den eitlen Haushofmeister Malvolio, der durch einen fingierten Liebesbrief getäuscht und der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Wie blicken Sie auf sie, was zeichnet sie aus?
Alle diese Figuren sind auf ihre Weise Suchende. Sie wirken oft überzeichnet – und doch steckt in ihnen eine tiefe Wahrheit. Sir Toby und Andrew Leichenwang z. B. treiben das Spiel mit der Maßlosigkeit auf die Spitze, sind laut, trunken, hemmungslos. Aber hinter ihren Albernheiten lauert auch immer ein Abgrund, ein fast verzweifelt wirkendes Festhalten an der Ausschweifung. Malvolio wiederum ist das Gegenteil – kontrolliert, ehrgeizig, von seiner eigenen Erhabenheit überzeugt. Dass er so tief fällt, macht ihn zur tragischsten Figur des Stücks. Seine Demütigung ist komisch, aber auch grausam. Und dann ist da noch Feste, der Narr, der am meisten sieht. Er spielt mit Worten, führt die anderen in die Irre, aber sein Witz ist oft melancholisch grundiert. Er hält den Spiegel vor, entlarvt Illusionen – und bleibt doch selbst rätselhaft. Gerade diese Mischung aus Heiterkeit und Wehmut, aus Übertreibung und Menschlichkeit macht die Figuren so faszinierend. Sie sind komisch und verletzlich zugleich – und uns darin vielleicht besonders nahe.
Im Stück gibt es viele Lieder des Narren, die zu den schönsten lyrischen Erfindungen Shakespeares gehören. Können Sie etwas zur Musik der Inszenierung sagen?
Ja, die Lieder des Narren sind extrem wichtig und unendlich schön, tiefsinnig, auch traurig. Die Musik wird in dieser Inszenierung eine ganz eigene Kraft entfalten. Der Komponist Tobias Vethake, mit dem mich eine langjährige Arbeitsbeziehung verbindet, wird selbst Teil des musikalischen Trios sein, das den Abend live auf der Bühne begleitet. Ich liebe es, wenn Musik nicht einfach nur untermalt, sondern direkt mit dem Spiel verbunden ist – wenn sie antreibt, atmet und Halt gibt. Auf das Cembalo freue ich mich besonders. Dieses Instrument hat etwas Zartes, aber auch Merkwürdiges. Mit Cembalo, Streichinstrumenten und elektronischen Klangflächen soll eine Musik entstehen, die zwischen Leichtigkeit und Melancholie schwebt – verspielt, tänzerisch, aber auch brüchig und atmosphärisch. Diese Spannung passt wunderbar in die Welt von »Was ihr wollt«, in der alles im Wandel ist.
Die Beschäftigung mit choreografischen Ausdrucksformen zieht sich durch Ihre Inszenierungen. Wovon erzählen die Körper in »Was ihr wollt«?
Das meiste entsteht erst während der Proben, aber mich interessiert besonders, wie Körper aneinander vorbeitanzen, wie Nähe entsteht und wieder zerfällt. Vielleicht gibt es Momente der völligen Entgrenzung, Momente, in denen die Figuren wie im Rausch in Bewegung geraten oder plötzlich erstarren. Bei Sir Toby und Andrew Leichenwang spielt etwa die Trunkenheit eine große Rolle – nicht nur als komisches Element, sondern auch als Zustand, in dem Grenzen verschwimmen. Die choreografische Arbeit übernimmt Valentí Rocamora i Torà, mit dem ich bereits bei »Der Geizige« zusammengearbeitet habe.
»Was ihr wollt« ist eine der beliebtesten Komödien Shakespeares. Wie erklären Sie sich das?
Ich glaube, die Mischung ist einfach sehr gut: wunderbar leichtfüßige Komik, aber auch tiefsinnige Befragung der Welt. Außerdem ist das Stück recht offen und wandlungsfähig. Dazu kommen die Musik, die wunderbaren Charaktere, das Traumhafte. Und über allem steht ein Bewusstsein für Vergänglichkeit. »Was ihr wollt« hält uns einen Spiegel vor, aber auf leichtfüßige Weise. Es zeigt, dass nichts bleibt, wie es ist – und dass gerade darin eine Schönheit liegt. Vielleicht ist »Was ihr wollt« wie ein Fest, das sich selbst feiert, aber nie vergisst, dass jedes Fest ein Ende hat. Die Lieder des Narren erinnern uns daran, dass alles vergeht – die Liebe, der Rausch, selbst das Spiel.
Besetzung
Bühne David Hohmann
Kostüm Katrin Wolfermann
Choreografie Valentí Rocamora i Torà
Musik Tobias Vethake, Kiki Bohemia
Dramaturgie David Benjamin Brückel