Orpheus steigt herab

von Tennessee WilliamsPremiere am 9. September 2021
Schauspielhaus, Großes HausSchauspiel

Über das Stück

Eine Kleinstadt im Süden der USA gerät in Aufruhr: Im Drugstore des todkranken Jabe Torrance erscheint der charismatische Musiker Val Xavier. Mit seiner dunklen Vergangenheit, der Gitarre und der Schlangenlederjacke zieht er die Frauen des Ortes in seinen Bann. Vor allem Lady Torrance, Tochter eines italienischen Einwanderers und Frau des despotischen Jabe, fühlt sich zu dem freiheitsliebenden jungen Mann hingezogen. Die Chance, an seiner Seite aus der Umklammerung eines bigotten, fremdenfeindlichen Milieus zu entfliehen, ist zum Greifen nah. Doch als Lady von der Verwicklung ihres Mannes Jabe in den Brandanschlag erfährt, bei dem ihr Vater ums Leben kam, sinnt sie auf Rache.

»Ich habe nur ein großes Thema für alles, was ich schreibe«, sagt Tennessee Williams, »und das ist der zerstörerische Einfluss der Gesellschaft auf das sensible, unangepasste Individuum.« Vor diesem Einfluss versucht sich die Figur Val zu schützen, indem sie ein radikales Verständnis von Unabhängigkeit vertritt. Doch seine Liebe zu Lady macht den modernen Orpheus verwundbar: Um ihr zu helfen, muss er seine Ideale Stück für Stück aufgeben. Im Mythos erreicht Orpheus die Freigabe seiner Eurydike nur unter der Bedingung, dass er sich beim Aufstieg aus der Unterwelt nicht umschaut. Val aber – wie auch sein antikes Pendant – schaut sich um, zögert im Moment der Gefahr und fährt auf spektakuläre Weise zur Hölle. Tennessee Williams’ 1957 uraufgeführtes Südstaatendrama besticht durch einen wilden Mix aus archaischer Symbolik und moderner Psychologie, kurz: ein Stück gehobener Trivialliteratur.

Besetzung

Dolly Hamma Annina Hunziker
Beulah Binnings Michaela Steiger
Carol Cutrere Lou Strenger
Val Xavier Sebastian Tessenow
Vee Talbott Friederike Wagner
Lady Torrance Sonja Beißwenger
Jabe Torrance Thomas Wittmann
Sheriff Talbott Andreas Grothgar
David Cutrere Florian Lange
Erster Mann Samuel Franco, Valentin Stückl
Regie David Bösch
Kostüm Falko Herold
Licht Jean-Mario Bessière
Dramaturgie Janine Ortiz

Dauer

2 Stunden — keine Pause

Trailer

Pressestimmen

Williams setzte die Unreformierbarkeit der Südstaaten voraus, benutzte sie als Kulisse der Heillosigkeit. Die ganze Welt ist hier die Unterwelt, aus der Val, der Wiedergänger des Orpheus mit Gitarre und Schlangenlederjacke, nicht mehr lebend herausfindet. Der durch den Fall George Floyd bestimmten moralischen Reizbarkeit unseres historischen Augenblicks trägt Bösch Rechnung, indem der demokratisch unkontrollierte Sheriff seine Schießwut zum karikaturistischen Exzess treibt.
FAZ
Lou Strenger schwebt als Carol Cutrere in ihrem Rüschenkleid wie eine Märchenfee über die große Bühne (die Patrick Bannwart mit Tiefkühltruhe, Jukebox, Kuchenvitrine und Ventilator sparsam bestückt hat). Sonja Beißwenger als Lady Torrance wiederum bringt eine glaubhafte Figur zustande, und man spürt, wenn man ihr zusieht, wenn man ihre Verzweiflung wittert, dass ein Autor hier aus Erfahrungen schöpft und nicht aus dramaturgischen Schablonen.
nachtkritik
Ein Sammelsurium von Gestrandeten, Irregeleiteten, Verträumten, Liebesunfähigen. Ein ganz normales Horrorkabinett.
Rheinische Post
Wenn Sonja Beißwenger als entschlossene ›Lady‹ aus einer italienischen Einwanderer-Familie loslegt – Val zum Bleiben bewegt, voller Verzweiflung von ihrem bösen Ehemann berichtet, der ihren Vater auf dem Gewissen hat, überzeugt sie als angstzerfurchtes Wesen, steigert mit Saft und Kraft ihren Zorn.
Westdeutsche Zeitung